Ich durfte die Produktion von Waldmann in der Nähe von Pforzheim besuchen und mir ansehen, wie aus unscheinbaren Silberstangen feine Schreibgeräte entstehen. Schon beim Rundgang durch die Werkhalle wird deutlich, wie viel handwerkliche Arbeit, Präzision und Kontrolle in jedem einzelnen Teil steckt. Hier wird nicht einfach montiert, sondern Schritt für Schritt gefertigt, vom Rohmaterial bis zum fertigen Füllhalter aus 925er Sterlingsilber. Waldmann bleibt dabei seinem Stil treu: klassisch, hochwertig, mit klarer Formensprache. Fast alles entsteht am eigenen Standort. Nur wenige Komponenten kommen von deutschen Zulieferern. Das Ergebnis ist eine Fertigung, die erstaunlich viel Handarbeit zeigt.
Vom Rohmaterial zur ersten Form
Am Anfang stehen Silberstangen und -rohre, die auf einem Langdrehautomaten bearbeitet werden. Aus ihnen entstehen die Grundformen der späteren Bauteile, präzise, gleichmäßig und voll automatisiert. Danach folgt die Reinigung, bei der Rückstände von Öl und Metall vollständig entfernt werden müssen. Nur so gelingt im weiteren Verlauf eine fehlerfreie Verarbeitung. Anschließend werden die Bauteile auf spezielle Gestelle gespannt und in einer computergesteuerten Galvanikanlage behandelt. Hier werden sie in mehreren Bädern gereinigt und für die spätere Veredelung vorbereitet. Das Ergebnis ist eine gleichmäßig saubere Oberfläche, die die Grundlage aller folgenden Arbeitsschritte bildet.
Glanz, Struktur und Handwerk
Nach der Reinigung beginnt die eigentliche Feinarbeit. Waldmann setzt auf traditionelle wie moderne Techniken, um Formen und Muster zu erstellen. Besonders aufschlussreich ist die Guillochierung. Hier wird deutlich, was Waldmann unter ‘Bearbeitung' versteht: An einer Maschine werden die Muster spanabhebend ins Silber geschnitten, nicht etwa geprägt oder gelasert. Das Ergebnis ist eine physisch fühlbare Struktur und eine Lichtbrechung, die eine rein additive oder oberflächliche Bearbeitung so nicht erreichen könnte. Nicht alle Modelle werden guillochiert. Manche erhalten ihre Muster und Struktur durch Fräsverfahren. CNC-Maschinen setzen dabei feine Vertiefungen oder Muster, die das Licht unterschiedlich reflektieren. Zusammen prägen diese Bearbeitungen den charakteristischen Eindruck der Waldmann-Schreibgeräte.
Vom Vorschliff zum Spiegelglanz
Nach der Formgebung folgt die Oberflächenbearbeitung. In großen Trommeln werden die Teile poliert. Sandstrahlen sorgt für eine gleichmäßige, samtige Struktur, während Polierprozesse den bekannten Hochglanz hervorbringen. Dafür nutzt Waldmann Maschinen aus eigener Entwicklung, die exakt auf Druck, Geschwindigkeit und Wachs abgestimmt sind. Abschließend werden die Teile nochmals gereinigt und getrocknet. Erst dann zeigt sich die glatte, spiegelnde Oberfläche, die für die Marke typisch ist.
Farbe, Gravur und Laser
Ein Teil der Modelle wird anschließend lackiert. Die Farben werden vor Ort gemischt und sind Chefsache. Sie werden in mehreren dünnen Schichten aufgetragen, bis die gewünschte Tiefe erreicht ist. Der Schriftzug „Waldmann“ wird präzise ins Material geprägt. Dafür wird jedes Teil einzeln in eine Halterung eingelegt und mit Druckluft unter den Stempel geschoben. Der Widerstand zwischen Material und Werkzeug sorgt dabei für die Rotation und damit für eine gleichmäßige Prägung. Auch das Logo und die „925“ werden in die Bauteile gelasert. Dazu werden sie einzeln in eine andere Maschine eingelegt. Poliertes Silber stellt dabei besondere Anforderungen, da es stark reflektiert, doch das Ergebnis ist dauerhaft und klar.
Kontrolle, Montage und Verpackung
Jeder Produktionsschritt wird von einer Qualitätskontrolle begleitet. Jedes Teil wird geprüft, vermessen und gereinigt, bevor es in die nächste Station gelangt. Fehler werden markiert, aussortiert und später überarbeitet. Erst wenn alles passt, erfolgt die Montage. Hier werden Mechanik, Schaft und Zierteile zusammengefügt und aufeinander abgestimmt. Wenn etwas bei der Montage verkratzen könnte, wie bei der Installation des Clips, werden die Bauteile geschützt. In der Endkontrolle werden alle Schreibgeräte nochmals gereinigt, poliert und auf Funktion geprüft, bevor sie verpackt werden. Das fertige Schreibgerät wird anschließend ins Etui gelegt und mit einem Etikett versehen. Damit endet der Produktionsweg und beginnt die Reise zum Kunden.
Nachhaltigkeit und Fertigungstiefe
Waldmann fertigt nach eigenen Angaben rund 95 Prozent aller Komponenten am eigenen Standort. Diese hohe Fertigungstiefe hat außerdem den Vorteil, die Qualität, von der Toleranz der Gewinde bis zur Oberfläche, direkt kontrollieren und beeinflussen zu können. Die verbleibenden Teile stammen von deutschen Zulieferern. Kurze Wege, eingespielte Abläufe und hohes technisches Know-how prägen die Produktion. Auch Nachhaltigkeit spielt eine Rolle: Photovoltaikanlagen liefern einen großen Teil der benötigten Energie, Abwärme der Maschinen wird zum Heizen genutzt, Wasser aus der Galvanik wird aufbereitet und wiederverwendet. Wenige Zulieferer, ebenfalls aus Deutschland, reduzieren zusätzlich den CO₂-Ausstoß. So entstehen hochwertige Produkte mit einem bewussten Blick auf Ressourcen.
Einordnung und Ausblick
Anfang des Jahres gab es einen Inhaberwechsel bei Waldmann. Der neue Eigentümer stammt aus der Bechtold Group, einem Unternehmen, das schon zuvor als Zulieferer für Waldmann und andere Marken tätig war. Dadurch blieb das technische Wissen im Haus erhalten, und der Übergang verlief fließend. Die heutige Fertigung unterscheidet sich deutlich von den früheren Abläufen. Viele Arbeitsschritte, die einst ausgelagert waren, finden nun unter einem Dach statt. Drehen, Fräsen, Lackieren und Guillochierung erfolgen innerhalb der Unternehmensgruppe. Waldmann bleibt dabei seiner Linie treu: klassische Formen, edle Materialien, zeitlose Gestaltung.
Fazit
Was in der Fertigung von Waldmann auffällt, ist die Häufigkeit der manuellen Kontrollen. Kein Schritt bleibt unbeobachtet, keine Oberfläche unkontrolliert. Dieser enorme Aufwand an jedem Einzelschritt – vom Rohling bis zur Endpolitur – macht auch nachvollziehbar, warum Schreibgeräte dieser Güteklasse ihren Preis haben. Qualität entsteht hier nicht durch Stichproben, sondern begleitet den Prozess von Anfang an. Die Arbeit wirkt routiniert, aber nie nachlässig. So entstehen Schreibgeräte, die durch Präzision und Beständigkeit überzeugen und zeigen, dass handwerkliche Fertigung auch heute noch ihren Wert hat. In den Waldmann-Füllern steckt mehr Handarbeit, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Vielen Dank an Waldmann für die Einladung, Führung und die Geduld.
YouTube
Der Waldmann-Besuch wurde natürlich auch auf Video festgehalten.
Es ist ein Beitrag in zwei Teilen:
Fotos: Sebastian Freitag (Federstiel und TIntenklecks) und Christian Petersen (Lineatur.Expert/Writing Delight)